Markt | 02.12.2020
Behavioral Finance - ein Weg zum besseren Anlegen
Die Kapitalmärkte sind effizient und Anleger treffen rationale Entscheidungen? Was in der Theorie nachvollziehbar erscheint, hat in der Praxis oftmals wenig Bestand. Denn: Menschen handeln auch an der Börse nicht ausschließlich rational. Dr. Hans-Jörg Naumer (Allianz Global Investors) beschreibt, wie Anleger, die die wichtigsten Mechanismen kennen, die rationalen Entscheidungen entgegenstehen, auch bei Vorsorge und Investment bessere Ergebnisse erzielen können.
Was ist Behavioral Finance?
Behavioral Finance – die verhaltenswissenschaftliche Finanztheorie – ist ein Denkansatz, der in der Kapitalanlage immer mehr Zuspruch findet. Grundlagen der Behavioral Finance Theorie bilden die Arbeiten von Daniel Kahneman und Amos Tversky, die aus psychologischer Sicht eine Alternative zur bis dahin gängigen Annahme formulieren, dass der Mensch rein rational als „Homo Oeconomicus“ entscheidet. Das gilt auch für die Kapitalanlage. Auch hier lassen sich rational nicht erklärbare Verhaltensmuster bei Anlegern aufzeigen. Hier liegt der Kern der Behavioral-Finance-Theorie.
„Menschen machen Märkte. Die Lehre des Behavioral Finance zeigt, dass Menschen bei ihren Anlageentscheidungen nicht nur rational agieren. Wenn es aber keinen homo oeconomicus gibt, wie können Märkte da effizient sein? Ineffizienzen am Markt können durch aktives Management genutzt werden.“
- Dr. Hans-Jörg Naumer
- Leiter Kapitalmarktanalyse bei Allianz Global Investors
Die Grundaussage der Behavioral Finance lautet: Anleger neigen zu „Anomalien“, d. h. zu rational nicht begründbaren Verhaltensmustern oder Neigungen, die sich in ihren Anlageentscheidungen und damit in den Kursen der Wertpapiere und an den Börsen niederschlagen. Dadurch kommt es immer wieder zu Ineffizienzen.
Vier Ursachen für ineffiziente Anlageentscheidungen
Wären wir immer rational, würden wir die besten Entscheidungen treffen und unsere Geldanlage gefühlsfrei optimieren. Wir wären das, was die Lehrbücher der Ökonomie unterstellen: ein Homo oeconomicus. Zwar steckt in jedem von uns ein Ökonom, weil wir ständig ökonomische Entscheidungen darüber treffen, was uns den größten Nutzen verspricht, aber wir sind keine Rechenmaschinen, die alle Informationen abwägen, daraus eine emotionsfreie Nutzenfunktion bilden und schließlich die optimale Entscheidung treffen. David Hirshleifer unterscheidet vier übergeordnete Verhaltensmuster bzw. Neigungen der Anleger, die als typische Fehlerquellen nach der Theorie der Behavioral Finance betrachtet werden können:
Selbstüberschätzung/Hybris z. B. übermäßiges Selbstvertrauen oder die Neigung, alte Prognosen oder Verhaltensweisen beizubehalten, anstatt sie neuen Realitäten anzupassen.
Heuristische Vereinfachung/Informationsverarbeitung z. B. der Ankereffekt, der dazu führt, dass der Anleger ein Wertpapier nicht verkauft, bevor es nicht wenigstens wieder den Einstandskurs erreicht hat.
Emotionen und Affekte z. B. empfinden die meisten Menschen mehr Bedauern über etwas, was sie getan haben, als über etwas, was sie unterlassen haben, obwohl beides die exakt gleichen finanziellen Folgen hatte.
Soziales Verhalten z. B. Herdenverhalten: Viele Anleger verkaufen, wenn alle anderen auch verkaufen, obwohl sich diese Phasen sehr häufig als bester Einstiegszeitpunkt erwiesen haben.
Behavioral Finance für bessere Anlageentscheidungen nutzen
Die gute Nachricht: Wer diese Muster kennt, ist nicht nur bei der Selbsterkenntnis einen Schritt weiter, sondern hat bereits den Weg eingeschlagen, sich selbst zu überlisten und ganz bewusst bessere Anlageentscheidungen zu treffen.
Sie interessieren sich für mehr Informationen und Hintergründe?
Lesen Sie hier die aktuelle Studie „Selbstüberlistung mit den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie“ von Dr. Hans-Jörg Naumer, Leiter Global Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors.